„Das hat die letzten 40 Jahre auf Papier auch geklappt“. So wurde in der letzten Sitzung des Transparenzausschusses der Antrag der Piraten auf die Benutzung von Etherpad + Beamer in Ausschussitzungen abgekanzelt. Von einem Grünen übrigens, dessen Partei später nochmal wichtig werden wird. Es stimmt natürlich, dass Papier in der Bundesrepublik wertvolle Dienste geleistet hat. Auch die Knotenschnüre der Inkas oder die Tontafeln der Sumerer trugen zur Effektivität der damaligen Verwaltung bei. Mittlerweile sind diese Methoden der Buchhaltung aber nicht mehr in Gebrauch, da sie gewisse Nachteile hatten. So waren die Knotenschnüre recht kompliziert und die Tontafeln eher unhandlich.

Papier hat nun den Nachteil, dass normalerweise nur eine Person daraufschauen kann. Wenn im Ausschuss ein Antrag geändert wird, nimmt der Vorsitzende die Änderung auf und notiert sie in seinem Protokoll. Dann verliest er (idealerweise) den vollständigen geänderten Antrag, so dass (idealerweise) alle wissen, was abgestimmt wird.

Tja, und dann kann es schon mal passieren, dass der Ausschuss über Dinge abstimmt, die der Vorsitzenden nicht notiert hat. Oder dass der Vorsitzende Dinge ins Protokoll schreibt, die der Ausschuss so eigentlich nicht beschlossen haben wollte. Da nur der Ausschussvorsitzende auf das Protokoll schaut, fällt das nicht weiter auf.

Und jetzt kommen die Grünen wieder ins Spiel. Die Drucksache 399 zur Eisenbahnmarkthalle wurde mit den Stimmen der Grünen im Ausschuss von einem Umsetzungsauftrag in einen Prüfauftrag umgewandelt. Dumm nur, dass der Vorsitzende das nicht korrekt nachhielt. Noch dümmer, dass die Fassung, die nicht dem Willen des Ausschusses entsprach, dann auch noch als Beschlussempfehlung den Weg in die Drucksachen für die nächste BVV fand, die in den Fraktionssitzungen besprochen werden. Aber was nun am allerdümmsten ist, ist, dass die Grünen die (falsche) Beschlussempfehlung durchwinken wollten, offensichtlich weil niemand sich die Mühe gemacht hatte, nochmal zu lesen, was da mittlerweile eigentlich im Antrag stand. Oldschool-Pirat Rolf Schümer hatte zum Glück noch die nötige Medienkompetenz für Papier und wies die Grünen auf den Fehler hin. Zusammen mit den Piraten wollen sie jetzt den Antrag entsprechend der Empfehlung des Ausschusses im Plenum wieder umändern.

Wenn, ja wenn, der Antrag per Beamer im Ausschuss an die Wand geworfen worden wäre und die Änderungsanträge in zB Etherpad eingebracht worden wären, dann hätten a) alle lesen können, worüber sie abstimmen und b) hätte die Versionskontrolle von Etherpad den Text zum Zeitpunkt der Abstimmung rekonstruierbar gemacht. Aber dieser moderne Krimskrams ist offensichtlich unnötig, da ja alles immer so gut klappt wie in den letzten 40 Jahren.

2 Kommentare

  1. 1

    Same here in der BVV Neukölln (und afaik der restlichen Bundesrepublik auch)

    Hätten wir für jedes „das haben wir schon immer so gemacht“ bzw „das ist aber `unüblich`“ einen Euro bekommen könnte wohl unsere Fraktion halb Berlin entschulden :/

  2. 2

    Schöner Beitrag, ein Tipp: Lasst nächstes mal das mit dem „die später nochmal wichtig wird“ weg.
    Lampshade Hanging funktioniert am besten implizit 😉

    Ansonsten: Haltet durch Leute, ihr habt es da (auch) mit Beamten zu tun. Die nehmen Änderungen nur zögerlich an.

    Gruß,
    Justus

    P.S.: Und seriously? Kein Kommentar ohne Javascript?

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