Endlich Coffeeshops? Wollen wir das wirklich so?

Die Legalisierung von Cannabis war im letzten Jahr sehr häufig Thema in der Presseberichterstattung. Bundesweit fordert die Piratenpartei in zahlreichen Parlamenten, einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zur Cannabisabgabe [6] zu formulieren und somit ein Modellprojekt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) [4] zu beantragen.
Viel zu wenig Augenmerk wird hierbei bisher auf die genaue Ausgestaltung der Cannabisabgabe gelegt und darauf, wie diese Modellprojekte umgesetzt werden sollen.

Eines ist den Piraten bereits klar – eine Abgabe in der Form, wie sie im Namen der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg beantragt wurde, will ganz sicher kaum einer der Legalisierungsbefürworter.

Ein Modellprojekt ist eine Ausnahmegenehmigung nach dem Betäubungsmittelgesetz für eine Abgabe von Cannabis an Konsumenten. Der Besitz von Cannabis bleibt damit außerhalb der Teilnahme an diesem Modellprojekt weiterhin verboten! Eine solche Ausnahmegenehmigung soll im öffentlichen Interesse liegende positive Auswirkungen auf die Umgebung haben oder wissenschaftliche Erkenntnisse bringen.

Deutschlandweit würden weitere Anträge für eine Ausnahmegenehmigung zur Cannabisabgabe sicherlich die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Antrages erhöhen und die Legalisierung von Cannabis beschleunigen. Auch die PIRATEN hoffen daher auf zahlreiche Nachahmer bundesweit, die Anträge auf Modellprojekte zur Cannabisabgabe stellen. Verständlicherweise ist es aus diesem Grund schwierig für Legalisierungsbefürworter, sich kritisch gegenüber Vorstößen in Richtung einer Legalisierung von Cannabis zu äußern.

Nach dem parlamentarischen Beschluss in Friedrichshain-Kreuzberg im Jahr 2013 wurde diesen Sommer, nach knapp zwei Jahren Diskussion der erste ausformulierte Antrag beim BfArM abgegeben. In wenigen Tagen erwartet der Bezirk eine Antwort auf den Antrag für eine Ausnahmegenehmigung. Der Antrag in Friedrichshain-Kreuzberg [1] wurde mit der Motivation geschrieben, eine politische Ablehnung durch das BfArM [4] (so weit wie möglich) zu erschweren.

Leider wurde in der Berichterstattung häufig so getan, als könnte bereits die erste Abgabestelle eröffnen und nur wenig bis kein Augenmerk darauf gelegt, in welcher Form die Abgabe stattfinden soll und welche Schritte zur Umsetzung notwendig wären.

Ein Modellprojekt für ganz Berlin sollte nach Meinung der Mitglieder der IG Sucht der Piratenpartei Berlin zeigen, welche Auswirkungen eine Legalisierung von Cannabis bundesweit hätte.

Hoffnungen von Legalisierungsbefürwortern auf einen gemütlichen Coffeeshop mit Sofas & Bewirtung werden beim Durchlesen des Antragstextes ziemlich schnell widerlegt.
Sollte dieser Antrag vom Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte angenommen werden, so ähnelt die Abgabe eher eine streng kontrollierten Suchtberatungsstelle.
Die Abgabestelle soll mit Beipackzetteln und Warnhinweisen versehene 1 Gramm-Portionen zum Preis von 10 bis 11 Euro pro Gramm ausgeben. Bei der Höchstmenge von 10 Gramm pro Tag gibt es keinen Mengenrabatt. Der Nachweis der Höchstmenge wird per Serverabgleich über die Identifikationskarte der notariell registrierten Einwohner gewährleistet. Zielgruppe sind Personen mit problematischem Konsum, Personal wird von der Landesstelle für Suchtprävention geschult und auch Angebote für die ambulante und stationäre Behandlung von Problemkonsumenten sollen geboten werden. Der Konsum der Nutzer wird per Tagebuch festgehalten und darf über die Zeit der Studie nicht ansteigen, da sonst das Modellprojekt abgebrochen wird. Alle noch nicht im Antrag enthaltenen Aspekte sollen durch den Entwurf des Cannabiskontrollgesetzes [3] abgedeckt werden.
Schon beim Durchlesen des Entwurfes im Bundestag fiel leider auf, dass Cannabis hier nicht nach wissenschaftlichen Fakten entsprechend der Gefährdung durch die Substanz betrachtet wird, sondern eine um ein Vielfaches stärkere Kontrolle von Anbau, Transport, Aufbewahrung und Verkauf gefordert wird, als bei den verschiedenartig gefährlicheren legalen Drogen oder vielfach gefährlicheren Medikamenten.

Den Leser möchte ich fragen, ob er es sich als Gelegenheits- oder Dauerkonsument vorstellen könnte, überteuerte Kleinportionen mit Warnhinweisen in einer Suchtberatungsstelle per ID-Karten kaufen zu müssen und dafür ein Konsumtagebuch anzulegen? Ist eine solche Art der Abgabe vergleichbar mit der Behandlung beim Einkauf eines Feierabendbieres?
Es ist nicht zu erwarten, dass eine solche Abgabe eine Konkurrenz zum gewohnten Dealer darstellt.

Eine Legalisierung im Sinne der Piraten würde ähnlich der Behandlung von Tabak aussehen, wo neben dem nichtkommerziellen Anbau für den Eigenkonsum auch Fachgeschäfte ähnlich wie Weinlokale erwachsene Kunden zu einzelnen Sorten beraten, so Jessica Zinn, Mitglied der Piratenpartei und der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg.

[2]

Eine Legalisierung kann Jugendschutz durch Altersbeschränkungen, Verbraucherschutz durch Kontrolle der Inhaltsstoffe und staatliche Einnahmen durch beispielsweise die Besteuerung des Verkaufes bieten.

Bundesweit sind mehr parlamentarische Beschlüsse zur Ausarbeitung eines Antrages auf eine Ausnahmegenehmigung wünschenswert. Hierbei sollte jedoch darauf geachtet werden, ob das Modellprojekt wissenschaftliche Fragestellungen bezüglich einer Legalisierung wirklich beantworten kann und es möglich ist Ziele des Modellprojektes, wie eine Verdrängung des Schwarzmarktes mit der Umsetzung überhaupt zu erreichen.

Wer mehr über Bemühungen zur Legalisierung von Cannabis, die Formulierung von Anträgen für Modellprojekte, Sucht- und Drogenpolitik oder auch Hanf als Medizin oder wertvolle Nutzpflanze wissen möchte, ist herzlich eingeladen, alle zwei Wochen ( 01.10., 15.10 und 29.10.2015 usw.) am Donnerstagabend um 19 Uhr im Keller des Hanfmuseum Berlin vorbeizuschauen und parteiunabhängig mit PIRATEN und anderen Legalisierungsaktivisten über diese und andere Themen zu diskutieren. Das Hanfmuseum findet Ihr in der Straße Mühlendamm 5 in 10178 Berlin. Bitte nicht nach 20 Uhr kommen, da das Museum um 20 Uhr schließt und ihr dann vor verschlossener Tür steht.

Meldet euch gerne mit Fragen und Anregungen zur Umsetzung von Modellprojekten oder wie ihr euch die Legalisierung vorstellt.

Autor: Jessica Miriam Zinn
Bild: Pauli Pirat

Quellen:
[1] Link zum Antragstext für ein Modellprojekt in Friedrichshain-Kreuzberg:
http://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/politik-und-verwaltung/service-und-organisationseinheiten/qualitaetsentwicklung-planung-und-koordination-des-oeffentlichen-gesundheitsdienstes/cannabisregulierung_fk.pdf
[2] Auftaktkundgebung der Hanfparade mit Jessica Zinn, Piratenpartei, Mitglied der BVV Friedrichshain-Kreuzberg http://www.youtube.com/watch?v=wfNe3OnTRU4
[3] Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz der Bundestagsfraktion Grüne http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/042/1804204.pdf
[4] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) http://www.bfarm.de/
[5] Hanf Museum Berlin http://www.hanfmuseum.de/
[6] http://www.huffingtonpost.de/lukas-lamla/cannabiskontrollgesetz-piraten-gruene_b_6911346.html

Cannabis ist mehr als Kiffen! Ein Rückblick auf die Hanfparade

Am Samstag den 08.08.2015 fand die Hanfparade unter dem Motto „Nutzt Hanf“ in Berlin statt. Nach offiziellen Angaben hatten ca. 8000 Menschen sich zu der Parade durch die Berliner Innenstadt aufgemacht, um für die Legalisierung und Entkriminalisierung von Hanf einzusetzen. Auch die Berliner PIRATEN und viele Piraten aus anderen Landesverbänden waren mit einem eigenen Truck und einem Stand auf der Straße des 17. Juni neben vielen anderen Vereinen und Organisationen dabei. Zusätzlich wurde in diesem Jahr ein Fahrzeug für körperlich beeinträchtigte, wie sehbehinderte und gehbeeinträchtigte Hanffreunde von der Piratenpartei gestellt. Stets waren unser Truck, sowie der Stand umlagert. Mit Monika Herrmann gab es Prominenten Besuch: Es wurde sich über den aktuellen Antrag aus Friedrichshain-Kreuzberg für Coffeeshops ausgetauscht.

Piraten Truck Hanfparade 2015

Seit 1997 findet diese Demonstration für die Legalisierung von Cannabis regelmäßig jedes Jahr statt. Gut organisiert, viel beachtet, und doch ist der Besitz, Handel und die Produktion von Cannabis nach wie vor in unserem Land illegal, weitgehend von organisierter Kriminalität beherrscht und mit Strafen belegt.

Wir können lange Blättchen mittlerweile an jeder Tankstelle und in Supermärkten kaufen, aber es ist eine Duldung, auf die Mensch sich nicht verlassen kann, denn parallel wird der nachgewiesene Besitz/Konsum zum Beispiel zum Anlass genommen, FührerscheininhaberInnen mit kostenintensiven Maßnahmen zu schikanieren und mit Verlust der Fahrerlaubnis zu bedrohen.

Der Gipfel der „Fürsorglichkeit“ der im Bundestag vertretenen Parteien ist es, Heranwachsende, die mit Cannabis erwischt werden, obendrein zu bestrafen. Und in Berlin: Der amtierende Innensenator, Herr Henkel von der CDU, denkt nicht daran, Cannabis-KonsumentInnen zu tolerieren; er will „drogenfreie Zonen“ an Brennpunkten. Dies mit dem Ziel einer drogenfreien Stadt, eine Idee, die bei Polizei, BürgerInnen und Justiz auf wenig bis kein Verständnis stößt, und die, bezogen auf Cannabis, einen klaren Bruch der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes darstellt.

Inzwischen ist klar: Das lässt sich überhaupt nicht umsetzen. Im Görlitzer Park hat diese Politik zu einer Eskalation geführt, die in Schusswaffengebrauch mündete.

Solche Methoden aus dem vergangenen Jahrhundert sind völlig ungeeignet, den Problemen der Prohibition zu begegnen. Reines Getöse, das den Menschen keinen Nutzen bringt, Leid produziert und Minderheiten der polizeilichen Willkür aussetzt.

Wir KonsumentInnen, AktivistInnen und PatientInnen haben es gründlich satt, seit Jahrzehnten wieder und wieder die Argumente anzuführen, die klar für eine Freigabe von Cannabis sprechen. Wir haben es satt, die ausgebrannten Gegenargumente der Konservativen anhören zu müssen, die lange widerlegt sind und die kaum jemand glaubt.

10. PEIRA Matinee „Cannabis freigeben Jetzt!“

Grumpy Cat

Schluss mit den Repressalien gegen KonsumentInnen!
Wir wollen die Lügen von Frau Mortler und der anderen Rückwärtsgewandten nicht mehr hören!
Deutschland verschläft Innovationen, die andere Länder vorlegen. Es ignoriert die Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, die mittlerweile in vielen Ländern für eine moderne Medizin und einen entspannten Umgang mit Cannabis sorgen.

Einer erheblichen Zahl von PatientInnen hilft Cannabis. Unsere Politik verweigert es den Betroffenen und begründet das mit Argumenten, die längst widerlegt sind und so unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr entsprechen.[1]

Wir in der Piratenpartei Berlin haben genug von Versprechungen, Lügen und Strafen. Wir wollen keine pressewirksamen Gesten von PolitikerInnen, sondern eine der modernen Lebensrealität und den wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasste Regelung. Wir wollen nicht mehr warten.
Wir fordern die sofortige Freigabe von Cannabis, ob als Genussmittel, Medizin oder Nutzhanf.
Für ein Umdenken in der Suchtpolitik, durch ein anderes Menschenbild.
Jetzt!

Mitmachen?
Suchtpolitik ist euer Thema?
Dann schaut doch einfach mal beim nächsten Treffen der AG Sucht vorbei. Die nächsten Treffen der AG Sucht finden am 20.8., 03.09, 10.09 und 24.09.2015 (im 14-Tage-Rhythmus) im Keller des Hanfmuseum ab 19 Uhr in der Straße Mühlendamm 5 in 10178 Berlin statt. Bitte nicht nach 20 Uhr kommen, da das Museum um 20 Uhr schließt und ihr dann vor verschlossener Tür steht.

Autor Oliver Waack[2] Themebauftragter Drogen- und Suchtpolitik der Piratenpartei Berlin.

Vielen Dank an @pauli_pirat für das Titelbild

Quellen:
[1] WDR Beitrag: Quarks & Co – Kiffen – 7 Dinge, die Sie wissen sollten!: https://www.youtube.com/watch?v=Yfu8vFjl94k
[2] zum Twitteraccount von Oliver Waack: https://twitter.com/olliwaack“
[3] Tagesspiegel: „Hanfparade 2015 in Berlin – Kiffen für die Politik“: http://www.tagesspiegel.de/berlin/hanfparade-2015-in-berlin-kiffen-fuer-die-politik/12163960.html
[4] Berliner Zeitung: „19. Hanf-Parade in Berlin – Hanf-Dampf in allen Gassen“: http://www.berliner-zeitung.de/panorama/19–hanf-parade-in-berlin-hanf-dampf-in-allen-gassen,10808334,31418800.html