Vorplatzbenennung Jüdisches Museum – die Geschichte mit der „Haskala“

Seit nun schon einiger Zeit streitet die BVV darüber, wie der Vorplatz des Jüdischen Museums benannt werden soll. Der Platz, an dem das Jüdische Museum auch ein „Education Center“ einrichten möchte, gehört (auf Wunsch des Jüdischen Museums) dem Bezirk. Damit unterliegt er einem demokratisch gefassten BVV-Beschluss von 2005, dass Straßen und Plätze nach Frauen benannt werden sollen: Derzeit heißen die meisten Straßen und Plätze nach Männern. Das Jüdische Museum wünschte sich für den Platz allerdings den Namen Moses Mendelssohn, also einen Männernamen. Im Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksliquid wurde ein Kompromiss vorgeschlagen, den ich zu diesem Zeitpunkt sehr überzeugend fand: Wir könnten, so der Vorschlag, den Platz doch einfach nach einer Bewegung benennen. Die „Haskala“, eine jüdische Aufklärungsbewegung (die übrigens auch im Hebräischen einen weiblichen Artikel hat), bekam ein positives Liquid-Votum. An LQFB-Beschlüsse wollen wir uns möglichst halten, außerdem erschien uns der Vorschlag auch inhaltlich eine prima Idee. Jana und ich stellten ihn also auf einer Sitzung des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Queer ausführlich vor. Auf der Sitzung waren auch zwei Vertreterinnen des jüdischen Museums, der auf jüdische Geschichte spezialisierte Historiker Götz Aly und eine Vertreterin der Presse anwesend. Wir erklärten, warum der Name „Haskala“ unser Problem lösen könne (kein Personenname) und dass der Wunschname des Jüdischen Museums, Moses Mendelssohn, sogar auf Zusatzschildern doch noch zum Tragen kommen könne: Er war nämlich ein bedeutender Wegbereiter der Bewegung. Mehrere Vertreterinnen anderer Parteien fanden den Vorschlag gut. Die Vertreterinnen des Jüdischen Museums und Götz Aly allerdings lehnten den Vorschlag massiv ab. Wir ließen nicht locker, sondern fragten nach bis wir eine konkrete Begründung erhielten. Diese lautete wie folgt: Die Haskala habe ein Integrationsverständnis vertreten, das eher Assimilation der Jüdinnen und Juden bedeutet habe. Die Bewegung habe die Vorstellung gehabt, dass Juden soweit wie die christliche Mehrheitsgesellschaft werden könnten, dass es keine Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung mehr gebe. Spätestens mit der Shoah, so ergänzte Aly, habe diese Hoffnung ein brutales Ende gefunden. Ein Verständnis des Zusammenlebens, das auf Assimilation hinauslaufe, sei weder zeitgemäß und noch wünschenswert.

Inwiefern diese historische Bewertung zutrifft – und inwiefern sie dann nicht auch auf Moses Mendelssohn als Wegbereiter der Haskala zutreffen müsste – können wir als Nichtspezialistinnen nur wenig beurteilen. Wie fast jede Bewegung wurde auch die Haskala von durchaus unterschiedlichen Menschen getragen und einiges wird eine Frage der historischen Gewichtung verschiedener Facetten sein. Dennoch haben uns die vorgetragenen Bedenken dazu bewegt, den Namen Haskala nicht weiter offensiv und gegen den Widerstand des Jüdischen Museums zu vertreten. Das war auch deshalb möglich, weil sich zwei neue Kompromissvorschläge abzeichneten.

Die historische Bewertung der Haskala ist offenbar umstrittener, als uns zuvor bewusst war.
Wir nehmen an, dass dies bei der LQFB-Abstimmung nicht bekannt waren, also einen neuen Fakt darstellt, der es rechtfertigt, dass wir nicht weiter auf die Haskala gedrängt haben – wir haben es wie gesagt ausführlich und standhaft getan, bevor wir über die Bewertung der Bewegung seitens des Jüdischen Museums und Aly informiert wurden. Wir hoffen, liebe Xhainer Basis, ihr seid mit unserem Verhalten einverstanden.

Text: Lena Rohrbach