Die Wahl ist vorbei und die Piraten müssen bereits erste wichtige Entscheidungen treffen. Dies gilt aktuell besonders für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, in dem die Piratenpartei mit 14,3 Prozent der Stimmen das drittbeste Ergebnis aller angetretenen Parteien erzielt hat.

Damit stehen wir, für uns überraschend, noch vor der CDU und der Linkspartei! Eine weitere große Nachricht folgte direkt nach den Wahlergebnissen: Die Piraten dürfen einen Stadtratposten besetzen. Von den fünf Posten wird voraussichtlich einer von der SPD besetzt und drei von den Grünen. Diese Posten bilden das Führungsgremium des Bezirksamts bzw der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), also die untergeordnete Verwaltungsbehörde der Stadtverwaltung (Senat) für den Bezirk. Die BVV ist juristisch gesehen – wenn auch demokratisch zu mehr legitimiert – ein Organ, das nur Empfehlungen ausspricht. Aus unserer Sicht jedoch arbeitet das Bezirksamt zu intransparent. Ein mit unseren Ideen übereinstimmender Stadtrat ist also eine einmalige Chance, unsere Vorstellungen von Transparenz und Beteiligung im Herzen der kommunalen Verwaltung einzubringen.

Unser großer und unerwarteter Wahlerfolg hat uns aber auch auf einer anderen Ebene überrascht. Die gesamte Landesliste unserer Kandidaten zieht ebenfalls ins Abgeordnetenhaus. Ein bis dato vermutlich historisch einzigartiger Vorgang! Das heißt aber auch, dass drei unserer neun BVV-Kandidaten ebenfalls auf Landesebene tätig sein werden. Bereits im Februar, lange vor der Wahl, haben Alexander Morlang, Fabio Reinhardt und Oliver Höfinghoff klargestellt, dass ihr Fokus auf der Landespolitik liegt, sie bereit gewesen wären, die BVV-Fraktion zu unterstützen, falls es mit den 5 Prozent auf Landesebene nicht geklappt hätte. Durch die sehr guten Wahlergebnisse haben wir nun sowohl die Möglichkeit, Kandidaten für die BVV zu stellen als auch für den Landtag. Die Prioritäten liegen hier ganz klar auf Landesebene, so dass nur fünf der möglichen neun Sitze in der BVV besetzt werden können. Damit sind die Piraten als Fraktion mit zwei Sitzen weniger als die Linkspartei vertreten. Durch diese Situation ist nun eine Diskussion entbrannt, ob wir unseren Anspruch auf die Besetzung eines Stadrates ganz aufgeben müssen, da wir nicht alle Sitze besetzen können. Grundlage dafür ist Artikel 74 des Berliner Abgeordnetengesetzes.

Wir Friedrichshain-Kreuzberger Piraten haben uns daher direkt am Montag abend getroffen und sind uns darüber einig, dass wir den Wählerwillen bei der Neubesetzung des Bezirksamtes respektiert sehen wollen. Dabei geht es uns nicht um die Sicherung eines Arbeitsplatzes für einen Piraten. Die Bürgerinnen und Bürger haben sich klar für unsere Vorstellungen und Ziele ausgesprochen und wir sind willens, diese auch umzusetzen. Unsere Wahlversprechen wollen wir halten und bestmöglich das in uns gesetzte Vertrauen erfüllen.
Die Piraten aus Friedrichshain-Kreuzberg sind gerne zu Gesprächen bereit und haben bereits die zukünftigen Vertreter der Linken zu einem Gespräch eingeladen, um die Möglichkeit einer konsensualen Entscheidung zu besprechen. Vorgeschlagen wurden
heute, 20.09.2011, oder Mittwoch, 21.09.2011, um jeweils 18:30 Uhr in der Jägerklause, Grünberger Straße 1. Wir hoffen auf eine einvernehmliche Einigung und dass der Wählerwillen für mehr piratige Politik im Bezirksamt berücksichtigt wird, ohne die juristischen Grenzen in Präzendenzfällen austesten zu müssen. Die Wählerinnern und Wähler haben sich klar für unsere Ziele ausgesprochen und wir sind uns sicher, dass auch die Linken im Interesse der Bürger an einer gemeinsamen Lösung arbeiten werden. Schließlich ist die BVV ein Konsensgremium, in dem es nicht um ein politisches Kräftemessen geht sondern das gemeinsame politische Handeln im Sinne der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt steht.

Update: Es gabe bereits eine Antwort der Linken. Sie schreiben, dass sie gesprächsbereit sind. Da sie sich erst am Donnerstag abend, den 22.9., zur Bezirksvorstandssitzung treffen, um ihre unsere Verhandlungsgruppe zu wählen, würden sie um ein Treffen nach diesem Termin bitten. Wir warten dann auf einen Terminvorschlag.

18 Kommentare

  1. 1

    Nice 🙂

    Wenn es hier zu einer gütlichen Einigung käme, wäre ich mit dem repräsentativen System wieder ein wenig versöhnt. Haltet uns über das Ergebnis der Gespräche auf dem Laufenden.

  2. 2

    Klasse. Ich freue mich, eine gute Nachricht. Zahlreiche Tippfehler in der PM sind jedoch trotzdem etwas ärgerlich 😉 – aber gut -Wahrscheinlich gibt’s grad echt größere Sorgen als Tippfehler. Alles gute!

  3. 3

    (Ich hab aus Solidarität auch in meinen Kommentar ein paar Tippfehler eingebaut *g*)

  4. 4

    Auch mich versöhnt die Nachricht wieder ein wenig. Mehr Transparenz ist in diesem Bezirksamt unbedingt nötig. Zuviel wird hinter geschlossenen Türen ausgekungelt und Bürger werden danach vor vollendete Tatsachen gestellt. Wieder mehr Bürgerbeteiligung, Toleranz und Freiheit im öffentlichen Raum ist dringend nötig. Das war hier vor schonmal deutlich besser.

    Viel Erfolg !!!

  5. 5

    Abgeordnetenhaus. Nicht Landtag. Als richtiger Berliner weiß man das aber. Geschenkt. Niemand muss diese Stadt kennen, um hier Politik zu gestalten, also Macht zu besitzen. Auch geschenkt.

    Die Piraten verzichten also auf 4 Sitze in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg und verliert damit den Anspruch auf einen Stadtrat. So ist eben die politische Realität. Pech gehabt, wobei ich ja verstehe, dass Diäten im AHG der mickrigen Aufwandsentschädigung der BVV vorzuziehen sind.

    Ihr wollt gestalten? Dann nehmt den Stadtratsposten und hört auf zu jammern. Eine Nichtannahme zeigt euren Unwillen Verantwortung zu übernehmen.

  6. 6

    Hallo Ihr Lieben,

    Ihr wollt den Stadtratsposten an die Linken verschenken? Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich nicht euch, sondern die Linken gewählt. Das könnt ihr nicht machen! Ihr MÜSST den Stadtratsposten antreten. Pflicht! Verdammt und zugenäht.

  7. 7

    Den Wählerwillen respektieren ? Klappt ja gerade nicht, da der Wählerwille offenkundig nicht umgesetzt werden kann, wenn die Anzahl der errungenen Mandate nicht ausgschöpft wird; gut für den Steuerzahler- aber nicht Sinn der Sache… Unter diesen Voraussetzungen (und bei Eurer Unerfahrenheit) ist es sicher sinnvoll, auf den Stadtratsposten zu verzichten. Learning by doing schön gut : muss aber nicht unbedingt an der Spitze einer Verwaltungsbehörde sein – oder ?

  8. 8

    Lasst bitte die Finger von dieser spießbürgerlichen Altkaderpartei! Die sind das Gegenteil von dem, was ich mir von den Piraten wünsche.

  9. 9

    Interessante Diskussion. Und stellt schon erheblich in Frage, ob man die PIRATEN nochmal wählen soll. Das allgemeine „Politikersprech“ hat doch hier ebenso rasend schnell Einzig gehalten, wie abfällige und überhebliche Kommentare in Richtung der anderen Parteien…

    WENN die Partei den „Wählerwillen“ repräsentiert haben will, so führt das nur über den Weg, die BVV-Mandate anzunehmen. Die Regeln waren vorher bekannt und gelten für Alle gleichermaßen! Ich will das mal politisch begründen:

    Der Verzicht auf die Mandate im Abgeordnetenhaus führt zu keinerlei politischen Verschiebungen. Die Qualität der Arbeit ist nicht davon abhängig, ob die Piratenfraktion über 12 oder 15 Mandate verfügt. Auch snd diese Mandate machttaktisch nicht relevant. Die Drei, die dann in der BVV bleiben können inhaltlich durch die Struktur der Partei auch anderweitig in die Arbeit eingebunden werden. Bleibt also nur ein einziges Argument so nicht zu verfahren: Die drei Gewählten entscheiden sich für das höher allimentierte Mandat. Das ist aus deren Sicht absolut okay! Aber dann hört auf, vorgeblich moralisch und demokratietheoretisch zu argumentieren!

    Wir haben es hier mit einer rein finanziellen und individuellen Entscheidung der Betroffenen zu tun. Diese Entscheidung hat dann eine politische Tragweite, für die aber nicht die „spießbürgerliche Altkaderpartei“ (habt ihr sowas nötig??) in Haftung zu nehmen ist!

    Nochmal: Außer dem Verdienst gibts keine sachlichen Grund die AGH-Mandate anzunehmen. Vor diesem Hintergrund bekommt auch die Erklärung „keinen Job für einen Piraten“ schaffen zu wollen einen faden Beigeschmack.

    Sehr, sehr schnell in „der Politik“ angekommen! On ihr meine Stimme nochmal bekommt, werde ich mir überlegen. Ich habe zwar nicht unbedingt erwartet, dass die Piraten alles anders machen – aber das Politikersalbadere um Fakten zu vernebeln….sorry, so schnell hab ich damit nicht gerechnet!

  10. 10

    Die zu kurze Liste ist natürlich ärgerlich, aber die piratigen Abgeordneten werden natürlich im AH gebraucht, auch wenn die Senatsbildung nur als „SPD+X“ laufen wird. Für die Arbeit im Bezirk ist die Fraktionsstärke wichtig, aber es gibt auch das Instrument der Bürgerdeputierten, d.h. die Ausschüsse im Bezirk müssen nicht unbedingt von Bezirksverordneten übernommen werden. Das schafft vielleicht etwas Luft, um das unschöne Doppelmandat zu überleben. Wenn man sich ausschaut, was selbst Bundestagsabgeordnete noch alles an Nebenjobs schaffen (Ministeramt), sollte ein Berliner Landesparlamentarier es eigentlich auch schaffen, sich gelegentlich paar Straßen weiter im Bezirk blicken zu lassen. Bleibt ja in der City. Irgendwelche Leihstimmen, die Euch nur erpreßbar machen, braucht Ihr doch nicht. Oder fädelt wenigstens einen geschickten Deal mit den Schwarzen ein. Die sind vielleicht bereit, etwas zu machen, weil sie sonst nicht ins Bezirksamt kommen. Euer Bezirk hat Euch für mehr Transparenz gewählt, also organisiert das irgendwie! Kentern gilt nicht!

  11. 11

    @Soso: „WENN die Partei den “Wählerwillen” repräsentiert haben will, so führt das nur über den Weg, die BVV-Mandate anzunehmen.“ Das ist logisch nicht schlüssig – schließlich will „der Wähler“, das unbekannte Wesen, ja auch dass 15 Mandate im Abgeordnetenhaus besetzt werden. Bei der Vielzahl an Ausschüssen und der Unmenge an EInarbeitung in die parlamentarischen Vorgänge machen 3 Mandate mehr oder weniger durchaus was aus.
    „Wir haben es hier mit einer rein finanziellen und individuellen Entscheidung der Betroffenen zu tun.“ Und das sähe anders aus, wenn sich drei Piraten an die BVV und damit an einen Stadtratsposten klammern würden? Nee. „Aber dann hört auf, vorgeblich moralisch und demokratietheoretisch zu argumentieren!“ Wo machen die das denn??
    Ich meine, man muss den Tatsachen einfach ins Gesicht sehen: Es haben schlicht zu wenig Leute auf dem Piratenticket kandidiert, um die vielen Ämter zu besetzen.

  12. 12

    Wenn ihr den Stadtratsposten nicht besetzt, habt ihr fast keine Aussichten an Informationen aus dem Bezirksamt zu kommen, sondern seid total auf Indiskretionen und Zufälle angewiesen; der Wille Transparenz zu schaffen ist nur umsetzbar, wenn ihr selbst auch Einblick erhaltet; das werden aber die Grünen vollständig zu verhindern wissen: Einblicke sind Herrschaftswissen!- z.B. nur den Bezirkshaushalt ins Netz zu stellen ist völlig witzlos, da man ihn als Zahlenmasse gar nicht durchschauen kann, die politische Bedeutung der Zahlen, ihre Auswirkung bleibt undurchsichtig, Eure Änderungsvorschläge wird man – bestenfalls – als nett aber „leider rechtlich nicht möglich“ abbügeln.
    Ohne Stadtrat kein Einblick und also auch kein Einfluss!!

    Allerdings muss es einer sein, der fähig ist Behörden mit 1000 Mitarbeitern zu führen!

  13. 13

    Genau, geherrscht wird hier oft nach Gutsherrenart und darum wird man alles versuchen, den Stadtratsposten wieder mit getreuem Gefolge zu besetzen.

  14. 14

    Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Wahlerfolg. Ich würde mich sehr freuen, wenn es mit dem eigenen Stadtrat doch noch klappen würde, denn ein wenig frischer Wind würde dem Bezirksamt sehr gut tun. Natürlich ist das alles neu und für Neulinge nur sehr schwer zu verstehen, aber das kann man alles lernen. Insiderinformationen erhalten die Fraktionen fast nur über ihre Stadträte. Vielleicht kann ich Euch ja die eine oder andere Frage beantworten?

  15. 15

    Oioi! Schnell angekommen in der Politik – das wird ne harte Landung! Die Stadtratsarbeit bedeutet ne Menge lernen in kürzester Zeit, viel Verwaltung und zugehörige Bürokratie und Verfahrensweisen, aber nur dann habt Ihr wirklich die Möglichkeit, Vorgänge zu durchschauen und zu beeinflussen. Das finde ich zunächst auch wichtiger! Weil das, was man da lernt, sich dann auch auf der Landesebene einbringen läßt. Abgesehn davon spielt sich ne Menge wichtiger Entscheidungen gerade in der lokalen Politik ab, wenn es um die Mitgestaltung des Bezirks geht. Allerdings könnte ich mir auch vorstellen, dass die bisher Etablierten es Euch nicht gerade leicht machen werden, also solltet Ihr Euch auf die Gespräche sehr gut vorbereiten! Mast- und Schotbruch!

  16. 16

    […] nun geklärt zu sein. Unklar war ob das Vorschlagsrecht für ein Mitglied des Bezirksamtes bei der Piratenpartei oder der LINKEN liegt, nachdem die Piraten zwar ein besseres Wahlergebnis vorweisen, aber nicht […]

  17. 17

    Gemeint ist wohl nicht Artikel 74 des Berliner Abgeordnetengesetzes, sondern Artikel 74 der Verfassung von Berlin:
    (1) Das Bezirksamt besteht aus dem Bezirksbürgermeister und den Bezirksstadträten, von denen einer zugleich zum stellvertretenden Bezirksbürgermeister gewählt wird. Das Bezirksamt soll auf Grund der Wahlvorschläge der Fraktionen entsprechend ihrem nach dem Höchstzahlverfahren (d’Hondt) berechneten Stärkeverhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung gebildet werden. Gemeinsame Wahlvorschläge von mehreren Fraktionen werden bei der Wahl des Bezirksbürgermeisters unbeschadet der Gesamtzusammensetzung des Bezirksamts wie Wahlvorschläge einer Fraktion angesehen. Das Nähere wird durch ein Gesetz geregelt.

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